Franz ANGELO Gruber, Österreich 1945 bis heute

Leben 1945 bis heute

Von der Hungersnot zum Überfluss

In den Städten herrschte in der unmittelbaren Nachkriegszeit bittere Not, am Land war davon wenig zu spüren, Hamsterfahrten gehörten daher zum Alltag. Die Landwirtschaft funktionierte wie seit Jahrhunderten mit der Kraft der eigenen Hände, der Dienstboten und der Zugtiere. Die Bauern waren Selbstversorger. Es gab täglich frische Milch, ein bis zwei mal wurde am Hof ein Schwein geschlachtet und manche haben auch das Brot selbst gebacken. In den meisten Dörfern gab es einen kleinen Greisler für die Dinge des täglichen Lebens und einmal in der Woche kam der Bäcker und der Fleischhauer mit dem Pferdefuhrwerk vorbei. In der Stadt kaufte man heimische Ware am Markt, im Lebensmittelgeschäft, beim Fleischhauer, beim Bäcker und bei der Milchfrau. Wirtshäuser gab es in jedem Ort. Zum Essen wurden österreichische Hausmannskost (Schnitzel, Schweinsbraten, Gulasch & Co.)  und preiswerte Mittagsmenüs serviert. Heute haben die Supermärkte mit ihrem riesigen internationalen Angebot die Nahversorger verdrängt. Das Angebot an Restaurants ist heute in den Städten vielfältig (Italiener, Griechen, Chinesen etc.)  und das klassische Wirtshaus vom Aussterben bedroht. Die Weinqualität hat sich entscheidend gebessert, der Doppler wurde vom Qualitätswein aus der Bouteille abgelöst. Nach dem Krieg war mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, heute sind es nur noch 3 Prozent. Dem gegenüber steht  eine enorme Steigerung der  Produktivität durch eine weitgehende Automatisierung. 1950 ernährte ein bäuerlicher Betrieb 4 Menschen, 1970 12, 1980 55 und heute 77  Menschen  (Daten der Landwirtschaftskammer). 

Vom Substandard zur heutigen Wohnqualität

Wohnraum war nach Kriegsende ein rares Gut und viele Wohnungen noch durch Bombenschäden zerstört. In den Städten gab es viele kleine Wohnungen ohne Bad und Zentralheizung und mit WC am Gang. Auch am Land war der Wohnraum seit jeher knapp bemessen. Da wie dort lebten mehrere Generationen unter einem Dach. Geheizt wurde mit Holzöfen und das meistens nur in der Wohnküche. Die Schlafräume waren kalt, das Bett wurde vor dem Schlafengehen mit einem erwärmten Ziegel oder einer Wärmeflasche vorgewärmt. Fließwasser war keine Selbstverständlichkeit. Bad und WC hatten die wenigsten. Die Wohnsituation hat sich seither entscheidend verbessert. In den Städten wurden Altbauwohnungen saniert und moderne Wohnungen mit Bad, WC und Balkon gebaut. Geheizt wird mit Zentralheizung oder Fernwärme. In Wien entstanden neue Stadtteile wie Alterlaa, Hochhäuser und  Überplattungen von Autobahnen. Am Land wurden die Häuser an die Wasserleitung angeschlossen, die Wohnsubstanz  erneuert und der Bau von Einfamilienhäusern forciert. Durch die Ausweitung des Wohnraums und den Autoverkehr  haben die Städte und Dörfer ihr Aussehen in den letzten 75 Jahren grundlegend verändert.

Von einer Agrar- und Industriegesellschaft zu einer Wissensgesellschaft

Grundausbildung nach dem Krieg war die 8-klassige Volksschule – im ländlichen Raum nach Verfügbarkeit von Klassenzimmern und Lehrern oft ein- oder zweistufig. Hauptschulen für  die 10- bis 14-Jährigen gab es nur in den Städten, Mittelschulen und berufsbildene höhere Schulen waren rar. Der Schulweg war mühsam, weil die Bus- oder Zugsverbindungen schlecht waren. Deshalb blieben die meisten in der Volksschule vor Ort. In den 70-er Jahren brachte die Ära Kreisky eine enorme Bildungsoffensive. Am Land wurden Hauptschulen gebaut, die Hauptschule löste die Volksschule als Grundausbildung ab, Schülerfreifahrt und Gratisschulbuch wurden eingeführt und der Ausbau von berufsbildenden Höheren Schulen forciert.  Die berufbildenden Höheren Schulen und die neu eingeführten Fachhochschulen waren mit iher praxisorientierte Ausbildung Motor für den Umbau einer Agrar- und Industriegesellschaft zu einer Wissensgesellschaft.  1971  hatten 2,8 % der Österreicher einen Hochschulabschluss, 50 Jahre später waren es mit 16,5% mehr als fünfmal so viele. Die Frauen haben bezüglich ihres Bildungsstandes deutlich aufgeholt. 1971 verfügten 70,4% der Frauen zwischen 25 und 64 Jahren lediglich einen Pflichtschulabschluss, 2019 waren es nur noch 20,0% (Quelle: Statistik Austria) .

Von der manuellen Arbeit in die digitale Welt

Die ersten Jahre nach dem Krieg waren am Land noch weitgehend bäuerlich geprägt. Die kleinen Höfe wurden ohne Maschinen arbeitsintensiv bewirtschaftet. In den Städten wohnten Kleingewerbeteibende, Beamte, Angestellte und Industriearbeiter. Mit dem Wiederaufbau und und dem Wirtschaftswachstum wurden immer mehr Arbeitskräfte benötigt. Dafür schritt die Mechanisierung der Landwirtschaft mit Traktoren, Motormähern und Mähdreschern immer mehr voran und setzte einen tiefgreifenden Strukturwandel in Gang. Mit der zunehmenden Motorisierung wurde Wohnen auf dem Land und Arbeiten in der Stadt möglich. Heute leben nur mehr Wenige von einer weitgehend automatisierten Landwirtschaft. Handwerk, Handel und Gastronomie waren früher kleinteilig organisiert. Es waren großteils Familienbetriebe, die das Leben in Stadt und Land prägten. Die meisten davon sind heute verschwunden und haben Supermärkten, Restaurantketten, Baumärkten und Möbelhäusern Platz gemacht. Der Einsatz von Computern  änderte die gesamte Arbeitswelt grundlegend. Ein Beispiel hiefür ist der Bankensektor. 1945 hatten nur wenige ein Bankkonto, heute fast alle. 1945 wurde im Privatbereich alles bar bezahlt, heute fast alles bargeldlos. Sein Geld behebt man weltweit an Bankomaten, im Supermarkt zahlt man an der Bankomat-Kassa zahlen und kauft mit der Kreditkarte im Internet ein. Mit dem Smartphone hat man Zugriff auf sein Konto und kann alle Bankgeschäfte tätigen. Große Anstrengungen des Bankensektors, immer leistungsstärkere Computer und die Standardisierung des Zahlungsverkehrs waren dazu notwendig. Die Entwicklungen in der Telekommunikation und im Internet schufen neue Arbeitsplätze und  führten zu Firmeneugründungen in der „New Economy“, von denen viele nach kurzer Zeit wieder verschwanden. Der Fall des Eisernen Vorhangs, der Zerfall Jugoslawiens und der EU-Beitritt brachten viele neue Arbeiskräfte. Viele Branchen (Gastronomie, Bau, Hauskrankenpflege, Erntehelfer …) würden heute ohne „Ausländer“ nicht mehr funktionieren. Der Anteil der Frauen am Erwerbsleben hat sich seit 1950 laufend erhöht und liegt mittlerweile bei 48 %.  Das Modell „der Mann ist Familienerhalter und die Frau für Kinder und Haushalt zuständig“ hat ausgedient und ist zunehmend einer Gleichberechtigung gewichen.

Vom Bargeld zum Electronic Banking

Vor 75 Jahren wurden die Gehälter bar ausbezahlt und die Stromrechnung bar einkassiert. Das Bankgeschäft beschränkte sich im wesentlichen auf die Hereinnahme von Spareinlagen und die Vergabe von Krediten.  Privatkunden besaßen nach dem Krieg keine Aktien und nur wenige Anleihen. Diese wurden meistens zu Hause aufbewahrt, die Zinskupons ausgeschnitten und bei der Bank eingelöst. Der Aktienhandel wurde manuell an der Börse abgewickelt. Heute hat jeder ein Bankkonto, behebt sein Geld weltweit an Bankomaten, zahlt im Supermarkt an der Bankomat-Kassa und tätigt seine Bankgeschäfte mit dem Smartphone. Große Anstrengungen des Bankensektors, immer leistungsstärkere Computer und die Standardisierung des Zahlungsverkehrs waren dazu notwendig. Mit einer komplexen, IT-Infrasttrukur ist es möglich, die Bankgeschäfte rund um die Uhr und rund um die Welt abzuwickeln. Statt für Spareinlagen werben die Banken heute für Wertpapierfonds, sie wickeln den Aktienhandel  automatisch ab und verwalten das Wertpapierdepot.  Aktien und Anleihen sind nicht mehr physisch vorhanden, sondern sind nur mehr Positionen auf dem Wertpapierauszug. Eine enorme Ausweitung erfuhr das Kreditgeschäft. Ohne Kredite wäre der Wiederaufbau, der  Wirtschaftsaufschwung und der Haus- und Wohnungsbau nicht möglich gewesen.  Früher wurden nur die hereingenommenen Spareinlangen als Kredite vergeben. Heute werden auch die rasch gestiegenen Giroeinlagen und seit kurzem auch Notenbankgeld als Kredit vergeben. So wird die Wirtschaft laufend in Schwung gehalten.

Auto und Flugzeug haben die Welt verändert

Nach dem Krieg gab es kaum Autos, ins Nachbardorf und in die Schule ging man zu Fuß und in die Stadt fuhr man mit dem Autobus oder mit der Bahn. In die Sommerfrische reiste man mit der Bahn und wurde vom Zimmervermieter mit dem Pferdefuhrwerk abgeholt. Wien hatte bereits einen gut ausgebauten öffentlichen Verkehr, der dann ab Anfang der 80-er durch den schrittweisen Ausbau der U-Bahn ergänzt wurde. Ab den 50-er Jahren nahm der Autoverkehr zu, ab den 70-er Jahren war das eigene Auto ein unbedingtes Muss. Um den gestiegenen Verkehr zu bewältigen wurden Autobahnen gebaut und die Straßen an die Bedürfnisse des Autoverkehrs angepasst.  Die Zunahme des Individualverkehrs änderte  das Freizeitverhalten grundlegend. Wochenendausflüge, Skiurlaube in den Alpen und Urlaube am Meer wurden einfach möglich. Auch der Bahnverkehr wurde modernisiert, die Elektrifizierung der Bahnstrecken abgeschlossen, der Nahverkehr ausgebaut  und die Bahnschranken voll automatisiert. Fahrkarten kaufte man früher am Schalter in den Bahnhöfen oder  beim Schaffner, heute gibt es Fahrscheinautomaten und Internet-Tickets. Die Reiseplanung wurde mit den Möglichkeiten des Web ein Kinderspiel, die Online-Abfrage ersetzt das gute,  alte Kursbuch und Routenplaner die Straßenkarten. Mit dem Flugzeug sind kurze Städtereisen  und Pauschalreisen in fremde Länder  einfach möglich. 

Das Internet hat das Leben revolutioniert

Nach dem Krieg war ein Radiogerät für viele Haushalte das höchste der Gefühle. Zeitungen, Zeitschriften und Bücher wurden von den gebildeten Schichten in der Stadt gelesen. Bücher waren kostbar und Schulbücher wurden weitergegeben. In den meisten bäuerlichen Haushalten gab es höchstens einen Bauernkalender und einen medizinischen Ratgeber. Das Fernsehen nahm eine rasante Entwicklung. Mit der ORF-Reform 1967 unter Gerd Bacher wurden Fernsehen und Radio auf eine völlig neue zeitgemässe Basis gestellt. Das Programmangebot wurde laufend erweitert und das Farbfernsehgerät Standard in jedem Haushalt. Das Kabelfernsehen brachte ausländische Sender und eine Änderung des Rundfunkgesetzes das Ende des ORF-Monopols. Immer mehr nutzen  Pay-TV, um aus einem breiten und exklusiven Sendeangebot zu wählen und werbefrei Fernsehen zu können. Internet und Smartphones stellten ab Anfag des 3. Jahrtausends die Medienwelt auf den Kopf.  Nachrichten werden seither hauptsächlich online konsumiert, die klassischen Medien kommen dadurch immer mehr in Bedrängnis.  Suchmaschinen wie google revolutionierten die Informationsbeschaffung. Man stellt einfach eine Frage und schon bekommt man relevante Ergebnisse. Online-Lexika wie wikipedia machen die klassischen Lexika überflüssig und die Video-Plattform youtube ist unerschöpfliche Quelle für Ratgeber, Musik etc. Den große Durchbruch brachten ab Anfang der 10er die Smartphones. Seither ist das Internet für alle  und überall in der Hosentasche vefügbar.

Von der Telefonzelle zum Smartphone

Briefe schreiben und Telefonieren war nach dem Krieg ein Minderheitenprogramm. Private Telefonanschlüsse hatten nur wenige und Telefonzellen gab es nur im Postamt. Grußkarten wurden vom Urlaub und zu Weihnachten verschickt. Die Anzahl der privaten Telefone stieg wegen der Engpässe im Leitungsnetz nut langsam. Erst mit der Digitalisierung in den 80ern standen ausreichend Anschlüsse zur Verfügung. Mit dem Handy Anfang wurde das Telefonieren mobil. Heute hat fast jeder mit dem Smartphone ein mächtiges Kommunikationswerkzeug zur Verfügung. Man kann nicht nur telefonieren, sondern auch Behördenwege erledigen, SMS  verschicken,  E-Mails  schreiben, Chatten, Fotografieren und Kontakte in den sozialen Medien (facebook, whatsapp …)  pflegen.
Geschichte der Telefonie in Österreich – wikipedia

Unterhaltung und Kultur

Gleich nach Kriegsende wurde der Kulturbetrieb wieder aufgenommen und 1955 die zerstörte Staatsoper mit „Fidelio“ wiedeereröffnet. Das Kabarett erlebt mit Qualtinger, Bronner & Co. Sternstunden. Die Kino erlebte in der Nachkriegszeit seine Hochblüte. Das Fernsehen führte  ab den 60ern zu immer mehr Kinoschliessungen und das große Forum Kino mit über 1.000 Sitzplätzen mutierte zum Rechenzentrum der Gemeinde Wien. Als erstes großes universelles Veranstaltungszentrum wurde 1957 die Wiener Stadthalle eröffnet. Dort gastierten die Eisrevue, Pop-Stars und der Russische Staatszirkus, boxte Hansi Orsolic um den Box-Weltmeistertitel und wurde das Musical „Hair“ aufgeführt. Wien hat sich mit seinen  Opernhäusern, Theatern und Museen zu einer der frequentiertesten Städtetourismus-Destinationen im Europa entwickelt.  Der Rathausplatz ist mit  Christkindlmarkt, Silvesterpfad, Eistraum und Musik-Filmfestival die Top-Event-Location der Stadt und das Donauinselfest das größte Freiluft-Festival Europas.  Vielfältig ist das Angebot der Kleinbühnen: Kabarett, Kellertheater und als eine besondere Rarität die kleinste Oper Wiens. Corona brachte 2020 und 2021 Gastronomie, Kultur und Unterhaltung zum Erliegen. Es ist zu hoffen, dass ab 2022 wieder Normalität einkehrt.

Fit ins hohe Alter

Das Leben am Land war alles andere als gesund. Die Arbeit war hart, die Wohnverhältnisse schlecht, das Essen fettreich, die Hygiäne mangelhaft, der Alkoholismus weitverbreitet und ein Gesundheitsbewußstein nicht vorhanden. Der praktische Arzt wurde bei Erkrankungen nicht immer frequentiert, weil die bäuerliche Bevölkerung bis in die 60er nicht krankenversichert war. Fachärzte gab es nur in der Bezirksstadt. Sie waren durch die schlechten Verkehrsverbindungen praktisch unerreichbar. In Notfällen  brachte die Rettung die Patienten ins Krankenhaus nach Krems. Der höhere Bildungsgrad macht sich auch im Gesundheitsbewußtsein bemerkbar. Laufen wurde zum Breitensport und Fitnesscenter boomen. Fast alle Österreicher sind krankenversichert und die medizinische Versorgung ist flächendeckend gesichert. Das Rettungswesen funktioniert und in dringenden Notfällen stehen Rettungshubschrauber bereits. Das gestiegene Gesundheitsbewußtsein und das verbesserte Gesundheitssystem schlägt sich ein einer höheren Lebenserwartung nieder. Sie stieg seit 1950 um 16 Jahre für  Männer auf 78 Jahre, für Frauen auf bei 83 Jahre (Quelle Statistik Austria). Die meisten konnten diese gewonnenen Jahre aktiv verbringen. Z.B auf Reisen, im Fitness-Center, im Garten, in Museen, im Theater und im Konzert.  Die Freizeit- und Tourismuswirtschaft weiß dies zu schätzen.